Das Buch der Lebensverdienste • Der Mensch in der Verantwortung
Hildegard von Bingen
1. Teil: Wo es anfängt – Entscheidung und Ordnung der Liebe
An diesem Anfangspunkt obliegt es dem Menschen, sich zu entscheiden, worauf er seine Liebe ausrichtet.
Ohne Zucht und Ordnung wäre unsere Liebe nur Illusion.
In der Sonne stand ein Löwe, im Mond ein Steinbock.
Weltliebe Himmelsliebe
Frechheit Disziplin
Spaßmacherei Ehrfurcht
Verhärtung – Die Verhärtung ist nämlich das schlimmste von allen Übeln, weil sie niemanden verschont und niemand gegenüber Barmherzigkeit erweist, vielmehr verachtet sie den Menschen und entzieht sich seinen Bedürfnissen
Barmherzigkeit – Und jedes Geschöpf wendet sich mit Umarmung dem ihm Verwandten zu. … Ich aber bin in der Luft und im Tau, und ich bin das liebliche Kraut in aller Grünkraft, mein Inneres ist voller Hilfsbereitschaft einem jeden zugetan. … Mit meinen Augen nehme ich alle Bedürfnisse wahr und bin mit ihnen verbunden. Alles Gebrochene für ich zur Genesung zusammen, denn ich bin ein Salböl für jeden Schmerz.
Feigheit Gottessieg
Zorn – So beachtet der Mensch weder sich selbst noch die anderen, sondern wirft die Gerechtigkeit um, als ob er blind wäre, und schießt die Stürme seiner Raserei los.
Geduld – Ich bin die liebliche Luft für alle Grünkraft, die die Blüten und die Früchte aller Tugendkräfte hervorbringt und sie im Geist der Menschen fest aufbaut. So vollende ich alles, was ich beginne, und harre darin aus. Ich zertrete niemanden, sondern habe alles in Ruhe.
Törichte Freude Seufzen vor Gott
Der Gotteseifer
Denn in Gott gibt es viele Geheimnisse …
Warum Gott Mann genannt wird.
Was vor dem Anfang der Welt war, kennt Gott allein. Aus ihn gehen alle lebendigen Wesen hervor, während er selbst keinen Ursprungsanfang hat, sondern allein in sich bestehen bleibt. Denn er lebt in sich, ist mächtig in sich und erkennt in sich.
Gott ist ewig, und die Ewigkeit ist Feuer, und das ist Gott. Gott ist aber weder ein verborgenes Feuer noch ein schweigendes Feuer, sondern ein wirkendes Feuer …
Der Mensch lebt inmitten dieser Weltkugel und wird von ihrem Lauf umfangen. Daher kann der Mensch mit seinem Fassungsvermögen nicht darüber hinaus steigen.
Gott ist jenes Leben, das durch keinen Anfang verdunkelt und auch durch kein Ende begrenzt ist.
2. Teil: Abschreiten des Weges – Haltende Kraft
Discretio = Unterscheidung
Da ist ein gegenseitiges Geben und Empfangen im Spiel, das die discretio in Gleichgewicht und Bewegung hält. Die Unterscheidung hilft vor allem dabei, unsere Grenzen zu erkennen, die uns in unserem Geschöpfsein mitgegeben sind, und damit bewahrt sie uns zugleich vor der Überschreitung der Grenzen.
Schließlich bedeutet Maßhalten nicht Mittelmäßigkeit und Ängstlichkeit vor Weite und Größe.
Völlerei Enthaltsamkeit
Bitterkeit
Wahre Freigebigkeit – Ich aber bin freigebig in Regen und Tau, in Salbe und Arzneien, so dass ich durch die Gnade im Regen, durch die Freude im Tau, durch die Barmherzigkeit in der Salbe und durch den Trost in den Arzneien für alle Schmerzen wirke.
Gottlosigkeit Frömmigkeit
Falschheit Wahrheit
Streit Frieden – Ich aber bin für alle eine Arznei.
Unglückseligkeit Seligkeit
Maßlosigkeit
Unterscheidung – Alles ist dem Größeren untergeben, und nichts überschreit sein eigenes Maß.
Verdammnis der Seelen Erlösung der Seelen
Der Gotteseifer
Die Vernunft unterscheidet alles, was von Gott gegeben ist.
3. Teil: Gottes Weg und unser Weg – Die Geheimnisse des menschgewordenen Gottes und des gottförmigen Menschen
Die liebende Person ist empfindlich gegen alles, was ein Hindernis sein könnte zwischen ihr und dem Geliebten.
4. Teil: Die Symphonie des Weges – Gerechtigkeit und Heiligkeit
Man kann nicht die ganze Welt gerecht machen, wohl aber sein eigenes Herz. … Der Mensch gehört in die Gemeinschaft hinein … Die Wahrhaftigkeit der Herzensbildung erweist sich in der Gemeinschaft. Die wichtigste Tugend für das gemeinsame Leben ist die Gerechtigkeit. … Der Respekt vor der Schöpfung ist die Verantwortung. Der Respekt vor dem anderen Menschen ist die Achtung und die Ehrfurcht. … Er nimmt sich nicht vor, die anderen formen zu wollen, sondern bejaht sie so, wie sie sind. Wer sich auf die anderen so einlassen und sie sogar annehmen kann, ordnet sich in eine größere Ordnung ein, die in ihrer Vielfalt eine Ganzheit bildet. … aber zumindest eine Symphonie kann entstehen, wenn unsere Verschiedenheiten nicht als Ecken und Kanten, sondern als Bereicherung füreinander wahrgenommen werden.
5. Teil: Wo und worauf es ankommt – Entfaltung und Ziel des Weges