Robert Silverberg
Wenn das Leben überhaupt lebenswert sein soll, brauchen wir wenigstens die Illusion, dass wir fähig sind, in der Welt, in der wir leben, umfassenden Veränderungen herbeizuführen. Ich sage, wenigstens die Illusion. Die echte Fähigkeit, Wandel herbeizuführen, wäre offensichtlich vorzuziehen, aber nicht alle von uns erreichen diese Stufe, und selbst die Illusion der Macht bietet Hoffnung, und Hoffnung erhält das Leben. Es kommt darauf an, keine Marionette zu sein, kein passives Spielzeug des Karma darzustellen. Ich glaube, Sie werden bestätigen, dass umfassende Veränderungen in der Gesellschaft erforderlich sind. Wer wird sie durchsetzen, wenn nicht Sie und ich? Wenn wir uns sagen, dass wir hilflos sind, dass sinnvolle Reformen unmöglich sind, dass der Status quo für immer bestehen bleiben wird, dann brauchen wir uns gar nicht die Mühe zu machen, weiterzuleben, finden Sie nicht?
Ich meine, wenn der Omnibus versagt und der Fahrer mit Drogen vollgepumpt ist und alle Türen verklemmt sind, ist es besser, das Zyankali zu nehmen, als auf den unvermeidlichen, grausigen Zusammenstoß zu warten. Aber wir wollen uns natürlich nicht in dem Glauben lassen, wir seien hilflos. Wir möchten glauben, dass wir das Lenkrad packen und den Bus wieder auf Kurs bringen und sicher zur Werkstätte lenken können. Richtig?
Richtig. Das möchten wir glauben. Auch wenn es nur eine Illusion ist. Denn manchmal – wer weiß? – kann man eine Illusion verfestigen und Wirklichkeit werden lassen. …
erschienen 1973 in der Kurzgeschichten-Sammlung „Steinbockspiele“